Wer trägt
Wikingergold?

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Beispiele

Ob beim Goldschmied, in Museumsshops, auf Mittelaltermärkten oder im Internet, „Wikingerschmuck“ ist leicht zu finden und beliebt – auch in der internationalen rechten Szene.

Welche Bedeutung hat der Bezug zum skandinavischen Frühmittelalter für die Träger*innen? Wer schmückt sich mit Nachbildungen von Schmuck aus der Wikingerzeit, wann und warum?

Die Gründe sind vielschichtig und umfassen sowohl persönliche als auch politische Bedeutungsebenen.

Kreuzanhänger und Scheibenfibel,
Hiddenseer Goldschmuck

Wie würdest Du die Schmuckstücke tragen? Welche Bedeutung hätten sie für Dich?

Lade sie herunter und benutze sie als Sticker auf einem Selfie.

Du kannst es unter #myvikingbling auf Instagram @vikinggold_treasurepolitics posten.
Wir sind gespannt!

Reenactress und Künstlerin Tathariel
mit Replik des Hiddenseeschmucks

„Ich besuche Wikingermärkte schon seit meiner Kindheit und ich kann mich erinnern, dass ich die Schönheit des Hiddenseer Schmucks immer bewundert habe, wenn ich jemanden sah, die oder der ihn trug. Ich schwor mir, eines Tages selbst eine Kette zu kaufen. Als ich erwachsen wurde und mehr über die Geschichte dieses einzigartigen Schmucks erfuhr, wurde er für mich noch wertvoller. Ich werde ihn immer in Ehren halten.“

T-Shirt der Marke
Thor Steinar, 2023

Den Rücken des Shirts zieren ein Anhänger aus dem Hiddenseeschmuck und eine Runenschrift: „Ultima Thule“ und „Thor Steinar“. Die Modemarke ist in der rechten Szene beliebt – sie verbindet einen sportlichen Stil u.a. mit Bezügen zu nordisch-völkischen und rechten Ideologien. Diese sind oft mehrdeutig: so kombiniert der Markenname den paganen skandinavischen Gott Thor womöglich mit dem SS-General Felix Steiner.

„Ultima Thule“ war die antike Bezeichnung für den äußersten Norden der Welt, erinnert aber auch an die völkisch-antisemitische Thule-Gesellschaft der 1920er Jahre. Die rechte Vereinnahmung wikingerzeitlicher Kultur wurzelt in der vermeintlichen Überlegenheit allen „germanischen“ Erbes – nicht zuletzt wurde der Hiddenseeschmuck zur NS-Zeit als Zeuge einer angeblichen „germanischen“ Vorherrschaft im Ostseeraum gedeutet.

Modeschmuck, 2022

„Ursprünglich habe ich mal meinem Freund ein Schmuckstück geschenkt, da seine Großmutter von der Insel Hiddensee kommt. Inzwischen fühle ich mich durch die Schmuckstücke mit seiner Familie, aber auch der Region verbunden.“

„Ich trage die Nachbildungen des Hiddenseer Goldschmucks vor allem, weil sie mir gefallen und ich mich für Symbole der Wikingerzeit interessiere. Für mich stehen sie für Naturverbundenheit und Natürlichkeit.“

Fiktives Porträt der Königin Tove
von Jim Lyngvild (Detail), 2018

Bei dieser zeitgenössischen Inszenierung der dänischen Königin Tove (10. Jahrhundert) mit dem Hiddenseer Goldschmuck handelte es sich um ein Experiment. Dieses und eine Reihe weiterer Porträts des Fotografen, Designers und praktizierenden Heiden Jim Lyngvild, entstanden als Auftragswerke des Dänischen Nationalmuseums, um „die Wikinger möglichst menschlich darzustellen“ (Museumsdirektor Rane Willerslev). Das Museum hatte sich 2018 für die Neugestaltung der Wikingerzeit-Abteilung in der Dauerausstellung eine Zusammenarbeit gewünscht. Für diese großformatig im Museumsraum ausgestellte Fiktion hagelte es viel Kritik.

„Heimatspiel nach germanischer Sitte“
in Heiligengrabe (Mecklenburg) 1933

Die sogenannten Ding-Spiele im Deutschland der 1930er Jahre waren halbreligiöse Theateraufführungen, die von wikingerzeitlichen Mythen inspiriert waren, wie sie etwa in der Edda überliefert sind. Die nationalsozialistische Ideologie propagierte eine extreme Ungleichwertigkeit der Menschheit, bei der die sogenannten „Arier“ ganz oben standen – dazu zählte sie neben den Deutschen vor allem die Skandinavier*innen. Dass die Kostüme auf dem Foto wenig mit der Wikingerzeit zu tun haben, scheint nicht so wichtig – bronzezeitliche Luren (Blasinstrumente) und Frauenschmuck wurden mit wikingerzeitlichen Mythen vermengt, um ein arisch-germanisches „Erbe“ zu konstruieren.

Nachbildung des Hiddenseer Goldschmucks
von 1970, heute im Stralsund Museum

Laut Plakette der Schatulle wurde diese Replik des Hiddenseer Goldschmucks 1973 dem Staatschef der DDR, Erich Honecker, anlässlich seiner Rede bei der Ostseewoche überreicht. Geberin war die Bezirksleitung Rostock der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Regierungspartei der DDR. Die Nachbildung ist massiv und wurde vermutlich nicht am Körper getragen, da die Ösen der gegossenen Stücke nicht durchgängig sind. Leider gibt es keine Hinweise darauf, ob und wie Erich Honecker „seinen“ Hiddenseeschmuck verwendet hat. Da die Ostseewoche die diplomatischen Verbindungen der DDR im Ostseeraum stärken sollte, stand die Schmuckreplik wohl symbolisch für die lange Geschichte des Austauschs innerhalb dieser Region.

Emerik Stenbergs Porträt von Oscar Montelius,
aus der schwedischen Zeitschrift
Ord & Bild, 1913

Der einflussreiche schwedische Archäologe Oscar Montelius (1843-1921) trägt auf diesem Gemälde die Nachbildung eines sogenannten „Thorshammers“. Schmuckstücke wie diese sind zahlreich aus der Wikingerzeit überliefert, überwiegend als Schatz- und Einzelfunde oder aus Frauengräbern. Montelius forschte viel zur Bronzezeit in Europa und dem Nahen Osten – 1898 verfasste er einen Aufsatz zu bronze- und wikingerzeitlichen Hammerdarstellungen. Fotografien zeigen, dass er „seinen“ Hammer auch im Alltag trug. Auf diesem Porträt im hohen Alter war es ihm offenbar wichtig, sich damit zu inszenieren, vielleicht als Symbol für seine Tätigkeit als Archäologe.

Sophia Schliemann (1852-1932)
mit Hiddenseer Goldschmuck

Am Kragen der Sophia Schliemann, Ehefrau des Kaufmanns und Archäologen Heinrich Schliemann († 1890), prangt eine Nachbildung des Hiddenseer Goldschmucks. Berühmt ist ein anderes Porträt. Es zeigt die junge Griechin mit dem antiken „Schatz des Priamos“, in dessen Ausgrabung ihr Mann verwickelt war. Diese Aufnahme aus dem Nachlass des Schliemannforschers Ernst Meyer († 1968) ist nur wenigen bekannt. Auf ihrer Rückseite ist vermerkt, dass die Porträtierte bereits Witwe war. Der wikingerzeitliche Schmuck verbindet sie mit der mecklenburgischen Heimat ihres Mannes. 

Werbeblatt des Goldschmieds
Paul Telge, 1882

Bereits kurz nach seiner Auffindung 1872-74 wurden Nachbildungen des Hiddenseer Goldschatzes als Modeschmuck angefertigt. Auf diesem Werbeblatt vom 01. Mai 1882 preist der Goldschmied Paul Telge seine „auf‘s Sauberste ausgeführten Nachahmungen“ an. Gedacht waren die Anhänger vor allem als „äußerst geschmackvolles Geschenk für jüngere und ältere Damen“, wie das damals tonangebende Mode- und Frauenmagazin Der Bazar berichtet. Auch viele weibliche Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte trugen ihn, wie ein Tagungsbericht von 1883 belegt.

Opernsänger in Bayreuth
als „Wikinger“, 1876

Der Opernbass Joseph Niering (†1891) ist hier in der Rolle des Hunding aus Richard Wagners Ring des Nibelungen als typischer Wikinger kostümiert. Zum heute noch populären Wikingerbild des 19. Jahrhunderts, das in Wagner-Inszenierungen mitgestaltet wurde, gehören Helme mit Hörnern und Met trinkende Krieger. Die Wissenschaft zeichnet ein anderes Bild: wikingerzeitliche Kultur wurde nicht nur von Kriegern gemacht. Auch Frauen hatten wichtige gesellschaftliche Rollen, es gab Landwirtschaft und Handwerke, die – wie das Goldschmiedehandwerk – auf hohem Niveau ausgeübt wurden.

Kostümiertes Gruppenporträt,
Stockholm, 1869

Auf dem Foto, das 1869 bei einem Kostümball in Stockholm aufgenommen wurde, zeigen sich Mitglieder der schwedischen High Society als „Wikinger“. Sie tragen Kleidung, Waffen und Schmuck, die damaligen Vorstellungen über die Wikingerzeit entsprechen und setzen sich damit in Beziehung zu ihren Vorfahr*innen. Der Verweis auf die Wikingerzeit war damals eng mit dem schwedischen Nationalismus verknüpft: von 1811 bis 1844 wollte der patriotisch gesinnte „Gotische Bund“ vermeintlich urschwedische Bräuche wiederbeleben, indem man aus Hörnern trank und sich altnordische Namen gab. Wenige Jahrzehnte später war das offenbar auch in der High Society salonfähig.